17. bis 19. Jahrhundert
Gesicherte Hinweise auf das Leben jüdischer Menschen gibt es für Mainz um 900, für Worms um 960, für Köln aus dem Jahr 1012, für Trier aus dem Jahr 1066 und für Speyer aus dem Jahr 1084.
Immer wieder werden in den Ratsprotokollen Juden in Frankenthal erwähnt (1614, 1637, 1659, 1671, 1674). Es sind vor allem Gerichtsakten oder Notizen, in denen über "abweichendes Verhalten"
von Juden geklagt wird.
1614 wurde eine Jüdin verheiratet und das Kind getauft.
1637 hatten sich vorübergehend zwei jüdische Familien in Frankenthal niedergelassen, die wieder ausgewiesen wurden. Ihre Habe wurde konfisziert (Ratsprotokoll von 1637).
Während der Spanischen Besatzung im Dreißigjährigen Krieg lebten hier mindestens zwei jüdische Familien, die nach der Besetzung durch die Schweden und der Rückgabe von Frankenthal an die Kurpfalz
wieder wegziehen mussten. (Ernst Merkel: Juden in Frankenthal von 1623 – 1689; Zeitschrift Frankenthal - einst und jetzt, 1/1982, Seite 15 – 18).
Im Ratsprotokoll von 1641 findet sich eine Beschwerde des Frankenthaler Arztes Johann Christoph Creutzer über einen Judenarzt mit Praxis. Er hatte Angst, durch den jüdischen Konkurrenten Patienten
und somit Geld zu verlieren. (Ernst Merkel: Juden in Frankenthal von 1623 – 1689; Zeitschrift Frankenthal - einst und jetzt, 1/1982, Seite l5 – 18: Ratsprotokoll vom 28. April 1641)
Im Januar 2019 meldete sich der israelitische Familienforscher Jona Schellekes aufgrund dieser Information im Ratsprotokoll vom 28. April 1641. Er teilte mit:
“Im Verzeichnis der Häuser und deren Inwohner in der Judengasse [in Worms] vom 15. Juli 1642 heißt es vom Haus zur Blume: “Beifuβ der Doktor wohnt zu Frankenthal”.
Vermutlich ist "Beifuβ der Doktor" identisch mit dem Arzt im Ratsprotokoll.
Siehe Berthold Rosenthal, “Nochmals der Name Wallach,” Jüdische Familien-Forschung 9 (1933), Seite 554.
Beifuß Josephus Wallich starb in Worms 1643.
Siehe Jona Schellekens, “The Wallich list from Worms”.
Ebenfalls aus dem Jahr 1641 ist ein Dankgedicht des Wormser Rabbiners Simon ben Samuel über den Abzug der Spanier aus Frankenthal bekannt.
1659 mussten einige Juden in Frankenthal gewohnt haben. Eine Beschwerde der „Viertelmeister“ über „hier sich aufhaltende Juden“ ist bekannt.
1671 und 1674 werden Juden erneut in den Ratsprotokollen erwähnt. (Ernst Merkel: Juden in Frankenthal von 1623 – 1689; Zeitschrift Frankenthal - einst und jetzt, 1/1982, Seite l5 – 18; Ratsprotokoll
vom 3. Juli 1671 und 12. August 1674)
1674 gab es einen Bericht über „14 hausgesessenen Juden, die eine Beschneidung durchführen“.
1679 wird eine „Judengasse“ erwähnt (die heutige Holzhofstraße). Hier lag die kurpfälzische Schaffnerei, die aus dem Klosterwirtschaftshof hervor ging.
1708 wird eine jüdische Familie erwähnt, die sich angesiedelt hat.
In einer Notiz von 1726 heißt es, dass sich sechs bis zehn gut bemittelte Judenfamilien niedergelassen haben, die ein Vermögen von 40 000 bis 50 000 Gulden mitgebracht hätten.
Auf Befehl des Kurfürsten Karl Theodor durfte 1771 der Jude Maier Levi aus Sembach im Westrich als "Schutzjude" nach Frankenthal ziehen. Er hatte ein Vermögen von 5 000 Gulden. Er unterstand der
Polizei- und Privilegien-Kommission in Mannheim und durfte auf einem freien Platz ein zweistöckiges Haus errichten. Zugleich legte der Kurfürst die Höchstzahl der Frankenthaler "Schutzjuden" auf 15
fest. Sie durften nur neue Häuser bauen und keine Althäuser erwerben. (Ernst Merkel: Juden in Frankenthal von 1623 – 1689; Zeitschrift Frankenthal - einst und jetzt, 1/1982, Seite 15 – 18. Ernst
Merkel: Die Vor- und Frühgeschichte der israelitischen Gemeinde in Frankenthal; Zeitschrift Frankenthal - einst und jetzt, 1/1985, Seite 19 – 22)
Privilegien für die Stadt Frankenthal von 1745
Juden erhalten keine Aufnahme
Kurfürst Karl Theodor erteilte im Jahr 1745 "Privilegien" an die Stadt Frankenthal, vor allem um die Zahl der Bewohner zu erhöhen.
Die Privilegien sind unterteilt in 14 Artikel (Sachgebiete) und erläuternde
Paragraphen.
Paragraph 4 in Artikel II lautet:
§ 4 Juden und Wiedertäufer werden von der Aufnahme in die Stadt
ausgeschlossen.
Um 1785 wird die Jüdische Gemeinde gegründet
Erste Versuche, eine Jüdische Gemeinde zu gründen, gab es nachweisbar ab etwa 1780. Ihr Ersuchen auf einen eigenen Rabbiner wurde vom Magistrat mit dem Hinweis, "sie wären keine Gemeinde",
abgelehnt.
Ein Betsaal war vermutlich 1780 in der Sterngasse. In diesem Teil der Stadt standen Häuser der Juden. Laut Kurfürst Karl Theodor durften in der Kurpfalz keine "Ghettos" errichtet werden. Die Juden
sollten im Umkreis ihres Betsaales, ihrer Synagoge oder dem rituellen Badhaus (Mikwe) wohnen.
1785 sind acht jüdische Familien in Frankenthal belegt.
1785 wurde Elias Durlacher, Leder- und Medaillonhändler, als Vorsteher der Jüdischen Gemeinde urkundlich erwähnt. (Ernst Merkel: Die Vor- und Frühgeschichte der israelitischen Gemeinde in
Frankenthal; Zeitschrift Frankenthal - einst und jetzt, 1/1985, Seite 19 – 22)
Ein Brief der "Frankenthaler Judenschaft" vom 15. Februar 1785 kann als Beleg für die Existenz einer jüdischen Gemeinde gewertet werden. Als Einwohner werden genannt: Elias Durlacher, Herz Ullmann, Lazarus Goldschmitt, Joel Samuel, Isaac Simon, David Moises, Michel Credil (?), Maier Levi, Kaufmann, der Judenmetzger.
Die Dokumente des Stadtarchivs geben immer besseren Einblick in die weitere Entwicklung.
Lazarus Goldschmitt, Goldschmied, eröffnete zuerst eine Granatschmuck-Fabrik, dann einen Laden. Sein Sohn Herz Goldschmidt wurde 1791 Gemeindevorsteher und war, soweit zurzeit bekannt ist, Mitglied
des Stadtrates. 1798 war er bei der Errichtung des Freiheitsbaumes auf dem Frankenthaler Marktplatz beteiligt und hielt die Freiheitsrede. (Siehe Monatsschrift des Frankenthaler Altertumsvereins,
August 1898, 6. Jahrgang.) Nachfahren der Familie Goldschmitt zogen in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Mannheim und Pforzheim. Ein Nachkomme, Reuven Mohr, lebt heute in Israel. Bei einem Besuch
im August 2002 informierte er sich über Unterlagen und besuchte Gräber auf dem älteren Jüdischen Friedhof.
Joel Samuel eröffnete eine Gaststätte und ein Trödler-Geschäft.
Marx Aron war Fleischlieferant bei den Kurpfälzischen Truppen in Lüttich.
Maier Levi, Kaufmann der Judenmetzger.
Weitere Namen: Herz Ullmann, Isaac Simon, David Moises, Michel Credil
1787 gab es zehn jüdische Männer, genug für einen Minjan, eine Synagoge zu gründen.
Um 1790 entstand die erste Synagoge
1791 war die erste Frankenthaler Synagoge fertiggestellt, über deren Umfang aber nur noch der Katasterplan von 1837 unterrichtet. Es handelte sich um einen von der Glockengasse nach Osten
versetzten Bau. Zum Eingang gelangte man über einen Vorhof. Wann dieser Bau und aus welchen Gründen abgerissen wurde, ist bisher unbekannt.
Bis zum Anschluss an die Französische Republik im Jahr 1798 wuchs die Gemeinde nur langsam. Zahlreiche Verbindungen zur Wormser Judengasse als dem großen Handelszentrum lassen sich nachweisen und
enge Beziehungen bestanden zu den Frankenthaler Juwelieren, Gold- und Silberschmieden.
Neue jüdische Namen in der Adoptionsliste
Zwischen 1798 und 1816 war die Pfalz unter französischer Verwaltung. Den Frankenthaler Juden brachte diese Zeit neue Rechte. 1791 war in Frankreich die Gleichstellung der Juden gesetzlich verankert worden. 1808 mussten alle Deutschen aufgrund des Napoleonischen Ediktes vom 20. Juli 1808 einheitliche Vor- und Familiennamen annehmen, "adoptieren", wenn sie diese noch nicht besaßen.
In Frankenthal meldeten sich am 6. November 1808 27 jüdische Familien mit 107 Personen auf dem Bürgermeisteramt und ließen ihre meistens neuen Namen eintragen.
Benachteiligungen bei der Berufsausübung
Das Edikt vom 10. Juni 1813 gab den Juden die "vollkommene Gewissensfreiheit".
Nach der Niederlage Napoleons kam die Pfalz zum Königreich Bayern. Die vorhandenen Gesetze wurden in ihrem wesentlichen Gehalt übernommen. Die Juden behielten die Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit.
Jedoch musste jeder Handel treibende Jude alljährlich seinen Leumund durch ein "Moralitätszeugnis", später "Patentschein", nachweisen. Dies musste vom Gemeinderat des Wohnortes ausgestellt werden.
Dies brachte erheblich Nachteile. Deshalb beantragten zum Beispiel 1832 vier Frankenthaler Juden die Befreiung von Patentscheinen:
Markus Wolf, Goldschneider
Leopold Marx, Schuhmacher
Salomon Alexander, Metzger
Martin Kaufmann, Gastwirt
Der jüdische Friedhof von 1826
1806 tauschte die Stadt Frankenthal ein Gelände ein, das ab 1821 zum städtischen Friedhof wurde. An seiner Ostseite erstand die jüdische Gemeinde 1820 ein Feld für ihren eigenen Friedhof, später wurde noch ein weiterer schmaler Streifen Acker im Norden dazugekauft zur Vergrößerung des Friedhofs, wie sich noch heute an der Erweiterung der Einfassungsmauer feststellen lässt. Auf dem seit 1995 unter Denkmalschutz stehendem Friedhof sind noch 130 Grabsteine vorhanden, davon 58 mit hebräischen Inschriften. Das erste Grab ist von Sarah Heymann, gestorben 1826, die letzte Belegung vor dem Kriege erfolgte 1935 (Dr. Gustav Mann). Die ältesten Grabsteine aus Sandstein sind durch Witterungseinfluss teilweise völlig zerstört und die Inschriften unleserlich geworden durch Bewuchs von Efeu und Rankpflanzen. 1996 säuberte die Stadt die Grabsteine, jedoch ist der Verfall der Sandsteingrabsteine nicht mehr aufzuhalten. Bei vielen blättert die Oberfläche blättert ab, andere zerfallen nach und nach. Die zu einem späteren Zeitpunkt entstandenen Marmorsteine sind jedoch in besserem Zustand.
1871 lebten 246 Juden in Frankenthal
Die Jüdischen Gemeinden der Pfalz waren seit 1827 in vier Bezirksrabbinate eingeteilt. Jedem Bezirk stand ein Rabbiner vor, der für die religiösen Angelegenheiten aller Gemeinden seines Bezirks zuständig war und die Gemeinden abwechselnd besuchte. Die Jüdische Gemeinde Frankenthal besaß deshalb nie einen Rabbiner allein. Das für Frankenthal zuständige Rabbinat hatte seinen Sitz in Bad Dürkheim. Es umfasste 24 Gemeinden und 16 Nebengemeinden mit 24 Synagogen.
1871 lebten In Frankenthal 246 Juden unter 7021 Einwohnern. Dies waren rund 3,5 Prozent.
Jüdische Geschäfte in Frankenthal
Aufgrund der Industrialisierung nahm auch in Frankenthal die Zahl der Einwohner schnell zu. Viele Juden aus der Pfalz zogen hierher. Sie kamen durch Handel und Gewerbe zu Wohlstand und Ansehen. Von den 70 Geschäften, die das Handels- und Firmen-Adressbuch 1864 für Frankenthal nennt, wurden 17 von Juden geführt. Sie betrieben Handel mit Getreide und Mehl, Wein und Vieh, Manufaktur- und Ellenware, Hopfen- und Brauereipech. Abraham Weil besaß eine Kleiderfabrik und Johann Baptist Levi war als königlich-bayerischer Hypothekenberater tätig.
Die neue Synagoge wurde 1885 eingeweiht
1882 wurde ein Synagogen-Neubau beantragt. Ein erstes Baugesuch wurde wegen Konstruktionsmängel und ästhetischer Gründe abgelehnt. Am 13. Februar 1884 konnte der Grundstein für die neue Synagoge
auf dem alten Platz gelegt werden. Der Bau dauerte 18 Monate. Am 28. August 1885 war die feierliche Einweihung in der Glockengasse 12, unter "reger Anteilnahme der Frankenthaler Bevölkerung" wie die
damalige Zeitung erwähnte. Die Gemeinde zog vom bisherigen Bethaus des J. Tropf in der Bahnhofstraße zur neuen Synagoge. Alle Häuser hatten geflaggt, am Anfang der Glockengasse war ein Bogen mit Grün
gespannt mit dem Motto: "Wir glauben alle an den einen Gott".
1896: "Kauft nicht bei Juden"
Trotz der gesetzlichen und gesellschaftlichen Emanzipation gab es 1895/1896 wieder erste antisemitische Veranstaltungen in Frankenthal durch die Deutsch-Soziale Reform-Partei. 1896 wurden an Häusern kleine farbige Zettel angebracht: „Kauft nicht bei Juden“.
Dazu schrieb die Frankenthaler Zeitung: „Der konfessionelle Haß war bisher in unserer Stadt glücklicherweise unbekannt. (…) Jeder Konsument wird dort kaufen, wo es ihm beliebt und die lichtscheue Demonstration wird nirgends Eindruck machen.“