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Auf dieser Seite finden Sie mehrere ältere, aber zeitlos aktuelle Informationen.

 

Alle Informationen findet man dauerhaft im Kapitel "Mitteilungen an die Medien".

 

Vergast, vergiftet, verhungert

Nationalsozialistische „Euthanasie“ in der Pfalz

Seit 1811 nutzte man das Armenhaus in Frankenthal am heutigen Röntgenplatz als „erste öffentliche Anstalt zur Verwahrung“ der psychisch kranken Menschen in der Pfalz.

Mit dem Thema "Vergast, vergiftet, verhungert" beschäftigt sich der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal seit zehn Jahren.

 

1953 wurde die Heil- und Pflegeanstalt Klingen-münster in „Pfälzische Nervenklinik Landeck“ umbenannt. Sie gehört unter dem heutigen Titel Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie zu den verschiedenen Einrichtungen des Bezirksverbands Pfalz.

 

Erst 1989 beauftragte der Bezirksverband sein Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde mit der Untersuchung der NS-Vergangenheit der Klinik.

 

Aufgrund der ungeordneten Archive, gestalteten sich die Forschungen zunächst schwierig. Auch die Forscher selbst wurden mit massiven Widerständen bis hin zu Morddrohungen, Sachbeschädigung und Diebstählen konfrontiert.

 

1990 teilte das Institut mit, es sei seit 1945 kein Mitarbeiter der Klinik wegen Verbrechen aus der NS-Zeit verurteilt worden. Es sei jedoch anzunehmen, dass während der Evakuierung der Anstalt 150 Patienten getötet wurden. 1992 wurde ergänzend mitgeteilt, es läge kein Verdacht auf schuldhaftes Verhalten seitens des Personals vor.

 

Nach der öffentlichen Kritik wurde 1993 seitens der Bezirksregierung Pfalz eine tiefgreifende wissenschaftliche Aufarbeitung angekündigt, da man nun auf Quellen gestoßen sei, die den Verdacht aufkommen ließen, die Heil- und Pflegeanstalt sei in größerem Umfang in die damaligen Praktiken der Euthanasie eingebunden gewesen.

 

Erst 1998 wurden die Ergebnisse dieser Untersuchungen in dem Buch "Psychiatrie im Nationalsozialismus. Die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster 1933–1945" veröffentlicht.

 

Von einem der Autoren, Karl Scherer, erschien 2004 in dem Buch "Frankenthal unterm Hakenkreuz - Eine pfälzische Stadt in der NS-Zeit", herausgegeben von der Stadt Frankenthal), der Bericht "Zur Geschichte der Kreis-, Kranken- und Pflegeanstalt Frankenthal 1933 – 1943" (Seite 353 - 368).

 

Das Krankenhaus der Heil- und Pflegeanstalt Frankenthal seit 1898. In dem Gebäude sind heute die Verwaltung und Klassenräume des Pfalzinstituts für Hören und Kommunikation (PIH) untergebracht. Blick vom Zöllerring aus.

 

„Euthanasie“ („guter Tod“, Sterbehilfe) war über Jahrhunderte ein unbelastetes Wort. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 wurden viele Schwerstkranke, behinderte oder unheilbar kranke Menschen, darunter auch Kinder und alte Menschen, auf staatlichen Befehl hin getötet/ermordet.

 

In der verbrecherischen Sicht der Nationalsozialisten handelte es sich bei diesen Menschen um „unwertes Leben“. Die Nationalsozialisten haben diese Verbrechen als "Euthanasie" bezeichnet.

 

Der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal stellt die Heil- und Pflegeanstalten in Frankenthal und Klingenmünster vor. 1932 war die "Kreis-Kranken- und Pflegeanstalt" in Frankenthal mit 642 Patienten, darunter zirka 130 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 21 Jahren, voll belegt.

 

In der NS-Zeit wurden im Deutschen Reich rund 400 000 Frauen und Männer zwangssterilisiert, rund 250 000 Männer, Frauen und Kinder durch Gas, Gift und Hunger ermordet.

 

Ab August 1939 gab es eine „Meldepflicht für mißgestaltete usw. Neugeborene“. Aufgrund eines Gutachtens wurden diese in eine „Kinderfachabteilung“ eingewiesen. Nach dem aktuellen Forschungsstand gab es im Deutschen Reich 37 „Kinderfachabteilungen“, die in bestehenden Heil- und Pflegeanstalten, Kinderkrankenhäusern und Universitätskinderkliniken eingerichtet wurden. 

 

Die Anstalt in Frankenthal war nicht dabei.

 

Bis 1945 wurden in diesen Abteilungen rund 5000 Kinder und Jugendliche ermordet. Oft wurden die Opfer vor ihrer Tötung noch monatelang von der wissenschaftlichen Forschung benutzt. Der Förderverein informiert über Einzelfälle, bei denen einzelne Jungen aus der Frankenthaler Anstalt in der Universitäts-Nervenklinik Heidelberg untersucht wurden. Ein 6jähriger Junge wurde später in der Kinderfachabteilung der Anstalt Eichberg ermordet. Sein Gehirn kam für weitere Untersuchungen zurück an die Universität Heidelberg.

Der Förderverein berichtet außerdem über ein 5jähriges französisches Mädchen, das 1942 aus einem Dorf im besetzten Lothringen nach Frankenthal gebracht wurde. Die Eltern erhielten nach einigen Wochen die Nachricht, dass das Kind an „Bronchopneumonie“ (Lungenentzündung) gestorben sei.

 

 

 

Gedenkveranstaltung „Reichskristallnacht“   

Samstag 9. November 2024            18 Uhr

Foyer Dathenushaus             Kanalstraße 4

Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich jedes Jahr an der Gedenkveranstaltung "Reichskristallnacht". Mit Kerzen gehen sie vom Dathenuashaus zum Gedenkplatz in der Glockengasse. (Foto: Klaus Bothe)

 

Auch in Frankenthal brannte die Synagoge in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert, die Einrichtungen zerschlagen, die jüdischen Männer verhaftet und vom örtlichen Gefängnis in das Konzentrationslager (KZ) Dachau bei München transportiert. Die jüdischen Frauen und ihre Kinder mussten die Stadt sofort verlassen.

 

Das Feuer in der Synagoge wurde von einem Nachbarn, einem Bäcker in der Bahnhofstraße, rechtzeitig entdeckt. Er alarmierte die Feuerwehr, die den Brand löschte. Ein SA-Trupp verbrannte danach alle Bücher, Thora-rollen und rituelle Gegenstände sowie die Sitzbänke.

 

Die Juden mussten die entstandenen Sachschäden in Listen dokumen-tieren und diese den NS-Behörden übergeben, nicht um eine Schadens-vergütung zu erhalten, sondern um je nach Vermögensverhältnissen eine „Sühnezahlung“ für ihr zertrümmertes Gut zu zahlen.

 

Bei der Gedenkveranstaltung spricht Oberbürgermeister Nicolas Meyer

 

Oberbürgermeister Nicolas Meyer

Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2024 sagte Nicolas Meyer:

 

"Sie alle, wir alle, sind heute hier, nicht nur, weil wir uns gegen Rassismus und Extremismus in jeder Form aussprechen möchten, sondern vor allem auch, weil wir für etwas sind, für etwas eintreten wollen.

Nämlich für Demokratie, für Toleranz, Mitmenschlichkeit und für die Achtung der Menschenwürde als oberste Richtlinie jedweden persönlichen und staatlichen Handelns."

 

Gegen 19 Uhr gehen die Besucher der Gedenkveranstaltung vom Dathenushaus mit Kerzen zum Gedenkplatz für die Synagoge in der Glockengasse (Spielplatz).

 

 

Studienfahrt zum ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler- Struthof im Elsass

Förderverein unterstützt Gedenkstättenarbeit an der Friedrich-Ebert-Realschule plus  

Seit 2008 besuchen Klassen der Friedrich-Ebert-Realschule plus die Gedenkstätte Konzentrationslager Natzweiler- Struthof im Elsass. (Foto: Realschule)

 

Seit 2008 besuchen Klassen der Friedrich-Ebert-Realschule plus die Gedenkstätte Konzentrationslager Natzweiler- Struthof im Elsass,  etwa 55 Kilometer südwestlich von Straßburg. Unterstützt vom Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal fand am 17. Juni die neunte Fahrt statt. Die Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen im Alter von 15 bis 18 Jahren werden vorher im Unterricht über den Nationalsozialismus anschaulich informiert. „Mit dem Besuch in Struthof sehen die Jugendlichen das Unterdrückungssystem mit eigenen Augen“, informierte Rüdiger Stein, Mitglied des Fördervereins und Pate des Projektes „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, für das die Realschule bereits 2011 ausgewählt wurde.

 

Nachdem man in der Nähe ein Vorkommen von seltenem rotem Granit gefunden hatte, lieferte das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof zwischen 1. Mai 1941 und 23. November 1944 Steine unter anderem für die Prachtbauten des NS-Systems in München. Bereits bei der Anfahrt mit dem Bus beschrieb Stein den Weg der Deportierten vom Bahnhof Rothau acht Kilometer lang auf einen Gipfel der Vogesen in 800 Metern Höhe. Das Lager mit seinen Stacheldrahtzäunen, den Wachtürmen und den Baracken brachte manchen Jugendlichen zum Schweigen.

In einem abseits gelegenen Gebäude des Konzentrationslagers war die Gaskammer. Hier wurden zahlreiche Häftlinge ermordet.

„Struthof war kein Vernich-tungslager wie Auschwitz-Birkenau, wo rund eine Million Menschen, vor allem Juden, ermordet wurden“, betonte Rüdiger Stein: „Die meisten Deportierten kamen aus Polen (13.800) und der UdSSR (7.600) und arbei-teten in den rund 70 Außen-lagern in Süddeutschland, unter anderem in Mannheim-Sandhofen. Dort mussten die zum Teil jungen Männer vor allem im Werk von Daimler-Benz Schwerstarbeit verrichten, schilderte Stein die Auswirkungen der NS-Diktatur auch in der Nach-barschaft. 52.000 Depor-tierte lebten in diesem KZ-System Struthof. 22.000 Personen starben in Folge von Entkräftung, Kälte, Mangelernährung und lagerbedingten Krankheiten oder wurden ermordet.

 

„Diese Exkursion sollte uns nicht nur die Geschichte des Lagers näher bringen, sondern auch das Bewusstsein für die Gräueltaten des Nationalsozialismus schärfen und uns zu einem respektvollen Umgang mit der Vergangenheit anregen“, schreibt einer der Schüler auf den Internetseiten der Realschule: https://www.realschuleplus-frankenthal.de/index.php/unser-schulleben/lerngaenge/lerngang-struthof-juli-2024-10er

 

Die beiden 10. Klassen der Friedrich-Ebert-Realschule vor dem Gebäude mit der ehemaligen Gaskammer und den medizinischen Experimentierräumen.

 

 

Mitgliederversammlung des Fördervereins

Mehrere Veranstaltungen im zweiten Halbjahr 2024

Auf dem Parkplatz vor dem Dathenushaus stand in den 1930er Jahren das Haus der jüdischen Familie Kahn.

Die Mitgliederversammlung des Fördervereins für jüdisches Gedenken Frankenthal fand am

19. Juni 2024 um 18.30 Uhr

im Foyer des Dathenushauses Kanalstraße 4 statt. Der 1. Vorsitzende, Herbert Baum, freute sich vor allem über die sechs neuen Mitglieder, so dass im Verein zurzeit 31 Frauen und Männer aktiv sind. Er betonte die gute Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Frankenthal. Den Vortrag "Es war nie Auswanderung, immer nur Flucht -Rund 4.000 Pfälzische Juden konnten sich vor der Ermordung retten" hatte 20 Besucher. An der Studienfahrt in die Gedenk-stätte KZ Osthofen bei Wormsam nahmen am 15. Mai 2024zehn Mitglieder teil.

Schwerpunkt war ein aktuelles Thema. Am 10. Oktober 2024, 19 Uhr, informiert Herbert Baum im Bildungszentrum der Volkshochschule, Schlosser-gasse 10, über das Thema "Vergast, vergiftet, verhungert - Nationalsozialistische „Euthanasie“ in der Pfalz". Der Förderverein gab im Jahr 2023 rund 1 000 Euro vor allem für organisatorische Pflichten aus. Die nächsten Wahlen finden erst wieder 2025 statt.

Die Mitgliederversammlung fand wie immer im Dathenushaus in der Kanalstraße statt.

Das Haus der Familie Kahn wurde ebenso durch Bomben zerstört wie die kleine protestantische Kirche dahinter. Hier enstand 1960/61 das Gemeindehaus der Zwölf-Apostel-Kirche, das Dathenushaus. Hier wurden 2005 die Stolpersteine für die Familie Kahn verlegt.

 

Besuch der Gedenkstätte KZ Osthofen

Kulturfahrt am 15. Mai 2024

12 - 17 Uhr

Die Gedenkstätte KZ Osthofen heute. (Foto: Dokumentationszentrum)

 

 

Neun Interessierte nahmen an der Kulturfahrt des Fördervereins für jüdisches Gedenken Frankenthal am 15. Mai 2024 in die Gedenkstätte KZ Osthofen bei Worms teil. Die Leitung hatte Herbert Baum vom Förderverein für jüdisches Gedenken

 

In Kooperation mit der Volkshochschule Frankenthal

 

Am 30. Januar 1933 wurde der Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf Hitler, zum Reichskanzler ernannt. Bereits am 28. Februar 1933 erließ er die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat". Sie sollte der "Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte" dienen. Faktisch ermöglichte sie den NS-Terror gegen politische Gegner der Regierung.

 

Überall in Deutschland wurden danach vorhandene Gefängnisse oder leerstehende Kasernen, Fabrikhallen und andere Gebäude genutzt, um die vom Gesetz betroffenen Menschen zu verhaften.

 

Auch das Gefängnis in Frankenthal wurde für Verhaftungen genutzt. Viele Pfälzer Männer wurden jedoch im Kasernen-Gefängnis und in Gebäuden der damaligen Turenne-Kaserne in Neustadt inhaftiert.

 

Auch dort befindet sich heute eine Gedenkstätte.

 

Das Konzentrationslager Osthofen im Jahr 1933. Alle Reisenden, die die Bahnverbindung Worms nach Mainz nutzen, konnten den Schriftzug lesen und sich ihre Gedanken machen. (Foto: Dokumentationszentrum)

 

Während die Pfalz damals noch zu Bayern gehörte, gehörte zum Beispiel das heutige Rheinhessen zum damaligen Volksstaat Hessen.

 

Der Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen, der Nationalsozialist Dr. Werner Best, hatte zum 1. Mai 1933 die Schaffung eines Konzentrationslagers für den damaligen Volksstaat Hessen in Osthofen bei Worms angeordnet.

 

Dort hatten aber bereits Anfang März örtliche Nationalsozialisten eine leerstehende Papierfabrik beschlagnahmt und als Konzentrationslager genutzt.

 

Vom Frühjahr 1933 bis Sommer 1934 wurden Gegner des NS-Regimes, allen voran Mitglieder der KPD, der SPD und Gewerkschafter, aber auch Angehörige des Zentrums, Juden, Zeugen Jehovas, Sinti und andere im KZ Osthofen gefangen gehalten.

 

In den 17 Monaten seines Bestehens waren 3000 Männer sowie einige Frauen für drei bis vier Wochen unter menschenverachtenden Bedingungen in den kahlen Hallen inhaftiert.

 

Zwar ist in Osthofen kein Inhaftierter ermordet worden. Alle waren jedoch dem ständigen Terror, den Misshandlungen und Demütigungen durch die Wachmann-schaften ausgesetzt. Vor allem die jüdischen Menschen hatten unter den Misshandlungen zu leiden.

 

Nach den zusätzlichen gezielten Verfolgungen und Verhaftungen in den danach folgenden Monaten, die immer mit Folterungen und Tötungen verbunden waren, musste sich jeder demokratisch denkende Mensch überlegen, ob er gegen diesen Terrorstaat Widerstand leisten sollte.

 

Bis Kriegende starben mehrere Inhaftierte oder wurden ermordet, nachdem sie immer wieder in Gefängnissen und Konzentrationslagern eingeliefert worden waren. 

 

In dieser Halle waren die Inhaftierten 1933 und 1934 untergebracht. Bei der Sanierung hat man versucht, die damaligen Strukturen zu erhalten beziehungsweise wieder herzustellen. (Foto: Dokumentationszentrum)

 

Informationen zum Besuch:

 

Die Führung im Dokumentationszentrum wurde von einer pädagogischen Mitarbeiterin durchgeführt. Im Einführungsgespräch informierte sie über die Geschichte des Konzentrationslagers Osthofen und über die Aufgaben der heutigen Gedenkstätte. Bei einem längeren Rundgang im Außengelände des ehemaligen Lagers schilderte die Mitarbeiterin die brutalen Lagerbedingungen.

 

Ein Hörgerät (Audio-Guide) lieferte Aussagen von Zeitzeugen und Erklärungen zum Lagerleben.

 

Die Dauerausstellung zeigt die Entwicklung der NS-Diktatur in der Region ab 1933.

Zurzeit ist außerdem die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung. Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach“ zu sehen.

 

 

30 Jahre Erinnerungs- und Gedenkarbeit

Förderverein für jüdisches Gedenken organisierte mehrere Veranstaltungen

Viele Schulklassen nutzen die Vorträge und Führungen sowie die Exkursionen in das ehemalige Konzentrationslager Struthof/Natzweiler im Elsass.

 

Im Rahmen seines 30jährigen Bestehens organisierte der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal mehrere Veranstaltungen zur jüdischen Geschichte. Drei Führungen finden am Sonntag, 3. September 2023 im Rahmen des Europäischen Tags der jüdischen Kultur statt.

 

„Die Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung, den politischen Gremien und dem Förderverein hat Frankenthal eine beachtenswerte Entwicklung in der regionalen und überregionalen Erinnerungs- und Gedenkarbeit gebracht“, betont der Vorsitzendende des Vereins, Herbert Baum.

 

Der Beigeordnete Bernd Leidig, seit vielen Jahren auch Vorsitzender des Altertumsvereins, informiert, dass die Straße, an der die Synagoge stand, in den 1960er Jahren in Synagogengasse umbenannt wurde. Seit 1977 erinnert ein Gedenkstein in der Glockengasse an die seit 1785 bestehende jüdische Gemeinde in Frankenthal.

 

Vor allem der frühere Oberbürgermeister Peter Popitz, dessen politische Kariere in Berlin begann, holte von dort bekannte jüdische Rabbiner und Mitglieder des Zentralrats der deutschen Juden nach Frankenthal.

 

Die Ergebnisse eines vierjährigen Forschungsprojektes zum Thema „Frankenthal unterm Hakenkreuz. Eine pfälzische Stadt in der NS-Zeit“ wurden im Herbst 2004 als Buch veröffentlicht.

 

Als zuständiger Dezernent für die Frankenthaler Schulen lobt Bernd Leidig die Zusammenarbeit mit Schulen als ein wichtiger Bestandteil der Vereinsarbeit: „Viele Schulklassen nutzen die Vorträge und Führungen sowie die Exkursionen in das ehemalige Konzentrationslager Struthof/Natzweiler im Elsass.

 

Junge Menschen aus Georgien, Russland, Aserbaitschan und Deutschland

 

Fridolin Hauck, ein engagierter Vertreter einer dauerhaften Gedenkarbeit, lud 1992 zu einer Gründungsversammlung für einen entsprechenden Verein ein. Am 16. März 1993 wurde er beim Amtsgericht angemeldet. Gründungsmitglieder waren unter anderem die Stadt Frankenthal sowie die beiden großen Parteien SPD und CDU. Sie sind bis heute Mitglied im Verein.

 

Der Förderverein erforscht bis heute zusammen mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern die rund 250jährige Geschichte der Juden in Frankenthal. Tausende Texte und Fotos sind in einer digitalen Datenbank gespeichert und stehen jedem interessierten Bürger zur Verfügung.

 

Gabriele Steinmacher, ein früh verstorbenes Mitglied des Vereins, erfasste ab 1995 mit einem Computer sämtliche im Einwohnermeldeverzeichnis vorhandenen Informationen über die jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Später übersetzte sie für eine umfassende Foto-Dokumentation die hebräischen Inschriften der Grabsteine auf den beiden jüdischen Friedhöfen. Aufgrund dieser Informationen kann der Förderverein immer wieder Anfragen von Nachkommen aus der ganzen Welt beantworten.

 

Bei der Verlegung der sogenannten Stolpersteine, die an die jüdischen Menschen erinnern, waren bereits mehrere Überlebende und deren Nachkommen in Frankenthal.

 

109 Stolpersteine erinnen in Frankenthal an das Schicksal jüdischer Frauen, Männer und Kinder.

Inzwischen erinnern 109 Stolpersteine vor den Häusern und Wohnungen, in denen sie gelebt haben, an die jüdischen Opfer.

 

„Ein Höhepunkt in unserer Zusammenarbeit mit jungen Menschen war ein Projekt auf den beiden Friedhöfen im Sommer 2012“, betonte Herbert Baum bei seinem Überblick. „Junge Menschen aus Georgien, Russland, Aserbeidschan und Frankenthal beseitigten 14 Tage lang  mit Unterstützung der Stadtverwaltung die wild gewachsenen Sträucher, Efeu und andere Pflanzen. Die Grabsteine wurden dadurch wieder sichtbar.

Die jüdische Großfamilie Schweitzer um 1900

Anlässlich des 30jährigen Jubiläums des Fördervereins fanden am 3. September, während des Europäischen Tags der jüdischen Kultur, drei Führungen statt: Um 11 Uhr gegann die Führung zum Thema "109 Stolpersteine in Frankenthal" mit Rüdiger Stein. um 15 Uhr führte Werner Schäfer über die beiden jüdischen Friedhöfe. Ab 17 Uhr gab Herbert Baum einen Überblick über "250 Jahre jüdisches Leben in Frankenthal".

 

Im Rahmen der Kooperation mit der Volkshochschule informiert am 19. September, 19 Uhr, Werner Schäfer mit einem Foto-Vortrag über die beiden jüdischen Friedhöfe.

 

Herbert Baum begleitet am 12. Oktober eine Exkursion in das NS-Dokumentationszentrum/Gedenkstätte KZ Osthofen.

 

Ein besonderes Projekt wurde vor einigen Tagen gestartet. Werner Schäfer, der sich seit Jahren mit dem Schicksal der jüdischen Großfamilie Schweitzer beschäftigt, stellte den Kontakt zwischen einer 17jährigen Nachkomme mit einer Arbeitsgruppe des Karolinen-Gymnasium (KG) her. Künftig soll das amerikanische Mädchen mit jungen Menschen in Frankenthal eine eigenständige Kommunikation zum Thema „Lebenswelten junger Menschen in den USA und in Deutschland“ aufbauen. Betreuende Lehrerin ist Angela Langhans-Glatt, die am KG Geschichte und Englisch unterrichtet.

 

Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal

besteht seit 30 Jahren von 1993 bis 2023

Anfang Mai 1995 berichtet die RHEINPFALZ über die Mitgliederversammlung des Fördervereins. Werner Schäfer wurde zum Ersten und Herbert Baum zum Zweiten Vorsitzenden des Fördervereins gewählt.

 

„In den vergangenen 30 Jahren haben Vereinsmitglieder zusammen mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern zahlreiche Informationen über die rund 250jährige Geschichte der Juden in Frankenthal dokumentiert“, informiert der 1. Vorsitzende Herbert Baum über einen Schwerpunkt der Vereinsarbeit: „Tausende Texte und Fotos sind in einer digitalen Datenbank gespeichert und stehen jedem interessierten Bürger zur Verfügung.

 

Mit 25 zwei Meter hohen Bannern wird die Geschichte der jüdischen Gemeinde seit 1775 beschrieben. Schwerpunkte sind die Integration der jüdischen Menschen in die Stadtgesellschaft, das Anlegen von zwei jüdischen Friedhöfen, den Bau der Synagogen in der Glockengasse, die Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt sowie das Leben zahlreicher jüdischer Familien. Fotos und Texte schildern die Ausgrenzung und Vertreibung der Juden: die „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 und die Deportation nach Gurs in Südwestfrankreich am 22. Oktober 1940. Heute leben wieder rund 60 Juden in Frankenthal.

 

Mit Schulklassen der Friedrich-Ebert-Realschule besucht der Förderverein seit Jahren das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler/Struthof im Elsass. Hier wurden auch Menschen aus der Vorderpfalz ermordet.

 

Die Zusammenarbeit mit Schulen ist ein wichtiger Bestandteil der Vereinsarbeit

 

Auch 80 Jahre nach dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden bleibt aus Sicht der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Stefanie Hubig die Erinnerungsarbeit an den Schulen unverzichtbar: "Die Kinder und Jugendlichen von heute sind diejenigen, die unsere Gesellschaft in der Zukunft tragen. Wenn wir möchten, dass auch sie die Chance haben, in einer freien und gerechten Welt zu leben, dann müssen die Kinder und Jugendlichen den Wert von Demokratie kennen - und das bedeutet auch, sie müssen unsere Verantwortung in der Geschichte kennenlernen und verstehen."

 

Gedenkarbeit und Demokratiebildung soll an rheinland-pfälzischen Schulen eine zentrale Rolle spielen. So ist festgelegt, dass sich alle Schülerinnen und Schüler beim Besuch eines Erinnerungsortes oder in der Auseinandersetzung mit dem, was Zeitzeugen erlebt haben, mit der Gewaltgeschichte des Nationalsozialismus beschäftigen sollen. Außerdem sind alle angehenden Lehrkräfte dazu verpflichtet, "mindestens einmal während ihres Vorbereitungsdienstes eine Gedenkstätte aufzusuchen und diesen Besuch zu reflektieren".

 

Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945 

Die Frankenthaler Innenstadt nach 1945: Die von Bomben zerstörte Synagoge (rechts oben).

 

Um 1900 lebten in Frankenthal 371 Juden unter 16.899 Einwohnern. Nach dem Mord an rund 6 Millionen jüdischen Frauen, Männer und Kindern war Johanna Roth die einzige Jüdin, die in Frankenthal den Krieg überlebte. Aus der Deportation in Frankreich kamen Frieda Plaut und Josef Weil. Johanna Roth verkaufte in Abstimmung mit anderen Juden in der Pfalz 1948 die durch Bomben zerstörte Synagoge in der Glockengasse für 12 Mark pro Quadratmeter an die Stadt Frankenthal. Josef Weil starb 1953, Johanna Roth 1954 und Frieda Plaut 1957. Sie wurden auf dem neuen jüdischen Friedhof in Frankenthal begraben.

Der Neuanfang jüdischen Lebens in Deutschland nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war alles andere als selbstverständlich. Viele Jüdinnen und Juden weltweit standen diesem Wunsch im Land der Täter ablehnend gegenüber. Dennoch kam es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zum Aufbau von Gemeindestrukturen in beiden deutschen Staaten.

 

Mit zahlreichen Fotos dokumentierte ein Vortrag die Entwicklung in Frankenthal, in der Region, in der Pfalz und in Deutschland.

 

In den Mediatheken des Öffentlichen Rundfunks findet man zahlreiche Dokuemnte zum Thema "Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945".

 

 

Bis Ende der 1980er-Jahre lebten in den jüdischen Gemeinden in Westdeutschland rund  30.000 Juden, in der DDR war es nur noch ein paar hundert.

 

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wanderten ab den 1990er-Jahren weit rund 190.000 Juden aus diesen Gebieten in das wiedervereinte Deutschland ein und trugen damit zu einem Aufblühen jüdischen Lebens bei.

 

Persönliche Kontakte mit den in vielen Städten lebenden Juden blieben allerdings auch in Frankenthal eher die Ausnahme. Auch in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust  bleiben die Aktiven oft unter sich.

 

Die jüdischen Identitäten und Lebensentwürfe sind vielfältig. Ebenso wie in den anderen Religionen entwickeln sich auch hier unterschiedliche Ergebnisse bei der Auslegung der Schriften.

 

Der auch nach 1945 nicht verschwundene Antisemitismus bedroht nicht nur die jüdischen Menschen und ihre Einrichtungen. Neben öffentlichen Beleidigungen und Diffamierungen kommt es dabei immer wieder zu tätlichen Übergriffen. Der aktive Einsatz der Demokraten gegen diese Entwicklungen ist dringend nötig.

 

Lichter gegen Dunkelheit

Bundesweite Aktion der Gedenkstätten-Initiativen

Mit dem Foto „Die ehemalige Synagoge in der Glockengasse“ beteiligte sich der Förderverein am 27. Januar an der bundesweiten Aktion „Lichter gegen Dunkelheit - Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus“.

 

 

Auch in diesem Jahr beteiligte sich der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal am Nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar. Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz durch die russische Armee befreit.

 

Im Rahmen der bundesweiten Aktion #LichterGegenDunkelheit werden zum Gedenktag in rund 80 Gedenk- und Bildungsstätten, Museen, Dokumentations-zentren und Erinnerungsinitiativen zur Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen mit besonderen Licht- und Beleuchtungseffekten wichtige Ereignisse öffentlich vorgestellt.

 

Der Förderverein zeigt auf seiner Internetseite www.juden-in-frankenthal.de, auf der offiziellen Seite www.lichter-gegen-dunkelheit.de und auf Twitter https://twitter.com/FurGedenken das Foto der früheren Synagoge, das bereits mehrmals auf die Giebelwand des Wohn- und Bürohauses Ecke Glockengasse/Synagogengasse projiziert wurde.

 

„Wo früher die Synagoge stand, bietet heute die Giebelwand des großen Gebäudes eine optimale Fläche, um Fotos aus der jüdischen Geschichte öffentlich zu präsentieren“, informiert Herbert Baum vom Förderverein.

Das Foto zeigt den jüdischen Lehrer Nathan Nathan bei der Deportation der Frankenthaler Juden am 22. Oktober 1940 nach Gurs in Südwest-Frankreich.

 

Bei Gedenktagen wurden hier mit Filmen, Fotos und Texten bereits mehrmals Ausschnitte aus dem jüdischen Leben in Frankenthal vorgestellt. Das Gebetshaus und das Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde wurden durch Bomben im September 1943 zerstört und 1952 abgerissen. Auf den Internetseiten www.lichter-gegen-dunkelheit.de findet man weitere Informationen über die Frankenthaler Synagoge und über die Geschichte der Frankenthaler Juden.

 

 

 

Die jüdischen Familien Lang und Salmon  Schnurgasse 1

Jüdisches Kaufhaus von den Nazis 1938 arisiert

Das Kaufhaus Lang Ecke Bahnhofstraße/Schnurgasse. Nach der Arisierung hieß es Stuckert und Müller.

 

 

Der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal verlegte am 9. November 2022 sechs Stolpersteine für die jüdischen Familien Lang und Salmon. Dies war die 10. Stolpersein-Verlegung in Frankenthal. Inzwischen erinnern 109 Steine an jüdische und politische Opfer aus Frankenthal.

 

Die Steine wurden von der früheren Frankenthaler Familiie Albrecht gespendet.

 

HIER WOHNTE
ALFRED

SALMON

JG. 1890  
„SCHUTZHAFT“ 1938

DACHAU

DEPORTIERT 1940 GURS
ERMORDET 18.9.1941

 

 

HIER WOHNTE
SELMA

SALMON

GEB. LANG

JG. 1893
DEPORTIERT 1940 GURS

INTERNIERT DRANCY

1942 AUSCHWITZ
ERMORDET 12.8.1942

 

 

HIER WOHNTE
EDWIN ADOLF

SALMON

JG. 1925
DEPORTIERT 1940 GURS

INTERNIERT DRANCY

1942 AUSCHWITZ
ERMORDET 23.1.1943

 

 

HIER WOHNTE
FRITZ LANG

JG. 1907

 „SCHUTZHAFT“ 1938

DACHAU
DEPORTIERT 1940 GURS
INTERNIERT DRANCY

1942 AUSCHWITZ

BEFREIT

 

 

HIER WOHNTE
IDA LANG

GEB. BÄHR

JG. 1909
DEPORTIERT 1940 GURS
INTERNIERT DRANCY

1942 AUSCHWITZ

ERMORDET 31.12.1942

 

 

HIER WOHNTE
FREYA KAROLINE

LANG

JG. 1934
DEPORTIERT 1940 GURS

INTERNIERT RIVESALTES

MIT HILFE

VERSTECKT ÜBERLEBT

 

 

 

 

Adolf Lang eröffnete in der Bahnhofstraße 8 ein Herren- und Knabenbekleidungs- geschäft, das am 21. November 1889 in das Handelsregister eingetragen wurde. Er heiratete am 30. Oktober 1889 in Heidelberg Sara Hahn. Drei Töchter kamen hier zur Welt.

 

Der Kaufmann Alfred Salmon trat am 1. April 1921 als persönlich haftender Gesellschafter in das Geschäft seines Onkels ein, welches sich mittlerweile in der Ludwigstraße 7, der heutigen August-Bebel-Straße, befand. Damit wurde das Einzelunternehmen eine Offene Handelsgesellschaft.

 

Am 29. Januar 1924 starb Adolf Lang und wurde auf dem neuen jüdischen Friedhof bestattet. Die Firma blieb weiter eine OHG, da seine Witwe die Gesellschaft fortsetzte. Am 28. Juli 1932 wurde das Geschäft in die Bahnhofstraße/Ecke Sedanstraße, der heutigen Schnurgasse, verlegt.

 

Alfred Salmon, der am 14. Juni 1890 in Lambsheim geboren wurde, zog am 17. Juni 1924 in der Ludwigstraße 7 bei Lang zu. Alfred Salmon heiratete seine Cousine Selma geheiratet. Am 26. Januar 1925 wurde der Sohn Edwin Adolf in Mannheim geboren.

 

Am 1. Oktober 1934 erfolgte der Umzug der Witwe Sara Lang und der Familie Alfred Salmon in die Sedanstraße 1. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 begannen die schwierigen Zeiten.

 

Vom Boykott der jüdischen Geschäfte, der in der Stadt Frankenthal schon am 29. März 1933 begann, war auch das Kaufhaus Lang/Salmon betroffen.

 

Am 4. September 1933 machte die hiesige Schneider-Innung in einer Anzeige in der Frankenthaler Zeitung darauf aufmerksam, dass im Schaufenster der Firma Adolf Lang ein minderwertiger Anzug mit einem viel zu hohen Preis ausgestellt sei.

 

Am 26. März 1936 zog die Familie Friedrich und Ida Lang mit ihrer Tochter Freya Karoline von Lambsheim, Hauptstraße 48, in der Sedanstraße 1 in Frankenthal zu. Fritz Lang war ein Neffe von Adolf Lang.

 

Am 20. Oktober 1938 wurde das jüdische Konfektionsgeschäft Adolf Lang von der Firma Stuckert und Müller arisiert. Die Neueröffnung erfolgte am  17. November 1938, acht Tage nach der „Reichskristallnacht“ vom 9. November 1938. Diese Firma war nur deshalb gegründet worden, um das Geschäft Adolf Lang erwerben zu können. Da sich dieses Geschäft am 10. November 1938 bereits in arischen Händen befand, wurde es an diesem Tage vom Nazi-Mob nicht demoliert.

 

Während die Witwe Sara Lang und die Familie Alfred Salmon in Frankenthal wohnen blieben, zog die Familie Friedrich Lang nach Mannheim, die Ehefrau mit der Tochter am 7. Dezember 1938, der Ehemann nach der Entlassung aus dem KZ Dachau am 10. Januar 1939.

 

Von Mannheim aus erfolgte am 22. Oktober 1940 die Deportation in das französische Internierungslager Gurs am Rand der Pyrenäen. Die Eheleute kamen am 16. September 1942 mit dem Transport Nummer 33 vom Durchgangslager Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Ida Lang wurde ermordet. Friedrich Lang hat den Aufenthalt im KZ Auschwitz überlebte. Er kehrte am 3. Juli 1945 nach Heidelberg zurück.

 

Die Tochter Freya Karoline kam im Oktober 1941 ins Lager Rivesaltes und am 13. September 1943 in ein französisches Kinderheim. Am 24. April 1946 kam sie zu ihrem Vater zurück. Friedrich Lang ging eine zweite Ehe ein und wanderte mit seiner Familie in die USA aus, wo er am 23. Oktober 1963 in Detroit (Michigan) starb.

 

Die Witwe Sara Lang sowie die Familie Alfred Salmon wurden am 22. Oktober 1940 von Frankenthal aus ins Lager Gurs deportiert. Sara Lang starb bereits am 27. November 1940 an den katastrophalen Lebensverhältnissen. Ihr Grabstein hat die Nummer 235 auf dem Friedhof in Gurs.

 

Alfred Salmon starb am 18. September 1941. Sein Grabstein hat die Nummer 831. Seine Witwe und sein Sohn kamen am 12. August 1942 mit dem Transport Nummer 18 vom Durchgangslager Drancy in das KZ Auschwitz. Beide wurden ermordet, der Sohn am 23. Januar 1943.

 

Frankenthal im NS-System

Das Ende der jüdischen Gemeinde

Das Lager Gurs in Südwest-Frankreich.

Am 22. Oktober 1940 wurden über 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland – vom Säugling bis zum 98-jährigen Greis – auf Betreiben der Gauleiter Robert Wagner und Josef Bürckel in das im unbesetzten Frankreich gelegene Internierungs-lager Gurs am Rande der Pyrenäen deportiert. Für viele von ihnen war dies nur eine Zwischenstation in die Vernichtungslager des Ostens. Dies war das Ende der jüdischen Gemeinde in Frankenthal.

Kriegsgefangenenlager am Schießgartenweg

Das Kriegsgefangenenlager zwischen dem Schißegartenweg und der Straße am Kanal.

In Frankenthal, das zum Wehrkreis XII gehörte, nutzte man ab April 1940 die Pfister'sche Festhalle und den benachbarten Schützenplatz (zwi-schen dem heutigen Schießgartenweg und der Straße Am Kanal)  als Stalag XII B. Diesem unterstanden die Arbeitskommandos in der Pfalz und in Rheinhessen.

Französische Kriegsgefangene in Frankenthal

Von Frankenthal aus wurden im Dezember 1941 mehr als 39.000 Kriegsgefangene polnischer, belgischer, französischer, jugoslawischer und sowjetischer Nationalität verwaltet.

 

Darüber hinaus waren bis Kriegsende zwischen 2000 und 3000 so genannte Zwangsarbeiter unter anderem bei der Stadtverwaltung, in der Landwirtschaft, bei kleineren Gewerbebetrieben und in der Industrie zur Zwangsarbeit eingesetzt.

 

Kreis- Kranken- und Pflegeanstalt Teil der NS-Psychiatrie

1932 war die "Kreis- Kranken- und Pflegeanstalt" mit 642 Patienten, darunter zirka 130 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 21 Jahren, voll belegt.

In den etwas mehr als zwölf Jahren national-sozialistischer Diktatur wurden mindestens 250.000 psychisch Kranke und Behinderte im Rahmen des sogenannten Euthanasieprogramms ermordet.

 

Ärzte und Psychiater waren maßgeblich an der Zwangssteri-lisierung von bis zu 400.000 vor allem psychisch kranker und geistig behinderter Menschen beteiligt. Jüdische und politisch missliebige Psychiater wurden verfolgt und aus Deutschland vertrieben.

 

Zur Umsetzung des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 gab es in Frankenthal ab Ende März 1934 das Erbgesundheitsgericht Frankenthal. Bis Ende 1935 wurden 2043 Anträge auf Unfruchtbarmachung gestellt, 1728 Anträge wurden anerkannt.

 

Als ab 1937 die Zahl der Anträge zurückging, ergriff das Amt für Wohlfahrt des Gaues Saarpfalz der NSDAP zunehmend die Initiative und drängte vor allem die Funktionsträger der Partei, alle Personen zur Anzeige zu bringen, bei denen der Verdacht bestand, dass das Gesetz für sie angewandt werden musste.

 

Der als überzeugtes Parteimitglied bekannte Eppsteiner Ortsgruppenleiter und Bürgermeister wird hier in einem besonderen Fall genannt.

Jugendliche alters­ge­recht ansprechen

Gedenkstätten und Initiativen verstärken Bildungsarbeit

Foto: Anke Kristina Schäfer

 

Erklärung der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz

 

Die LAG mit ihren 70 Mitgliedsinitiativen beschloss im „Haus des Erinnerns - für Demokratie und Akzeptanz “ in Mainz eine Erklärung zur aktuellen Situation:

 

Gegen Hass und Terror – für Toleranz, Menschenrechte, Freiheit und Demokratie.

 

Nie waren Judenhass, Antisemitismus und antisemitische Gewalttaten, aber auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland ganz verschwunden. Das jüngste Beispiel ist der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019, bei dem zwei Menschen getötet worden sind. Diese Taten haben oft einen rechtsextremistischen Hintergrund.

 

Der rechtsradikalen Anschauung sind nicht nur Menschen mit jüdischem Glauben zum Opfer gefallen, sondern auch andere, die nicht in das menschenverachtende Weltbild rechter Kreise passen: beispielsweise die vom NSU Ermordeten und der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke. Die Amadeu Antonio Stiftung zählt seit der Wieder­vereini­gung im Oktober 1990 insgesamt 198 Opfer dieser rechten Gewalt.

 

Alle diese Verbrechen waren vorbereitet, angekündigt, unterstützt und begleitet durch ein gesell­schaftliches Klima, das nahezu alltäglich geworden zu sein scheint und sich in den sozialen Me­dien des Internets mittels Hetze, Kumpanei und sogar Jubel Gleichgesinnter hervortut – und das vor dem Hintergrund unserer Geschichte, die in nur 12 Jahren des Nationalsozialismus die schlimmsten Verbrechen hervorgebracht hat. Gerade deshalb sind alle Kräfte aufgerufen, diesen Tendenzen entschieden entgegenzutreten!

 

Gefordert sind nicht nur die staatlichen Organe, welche die in Deutschland von rechter Gewalt bedrohten Menschen schützen müssen sowie gegen Hass und Gewalt im Internet vorzugehen haben. Auch in den Schulen ist für ein Klima der Toleranz und der Menschenfreundlichkeit zu sorgen und die politische Bildungsarbeit muss ausgeweitet werden.

 

All das muss die Politik mit vollem Engagement und auf Dauer leisten. Aber sie braucht dafür unbedingt die Unterstützung der Zivilgesellschaft: jede und jeder Einzelne von uns und auch Vereine, Initiativen und Organisationen. Rheinland-Pfalz ist ein Land des ehrenamtlichen Engagements.

Wir als Landesarbeitsgemeinschaft und auch als Repräsentanten von diversen Initiativen wollen uns auch in der Zukunft entschieden in diesen Prozess gegen Rassismus und Antisemitismus und für Toleranz, Frieden und Demokratie einbringen.

 

Verstärkt werden wir uns um die Aufklärung über den Nationalsozialismus und die Verbrechen während der NS-Zeit bemühen sowie über die Opfer dieser menschenverachtenden Politik informieren, und zwar insbesondere vor Ort in den Gemeinden unseres Landes.

 

Dazu wollen wir – im Rahmen unserer Möglichkeiten – mehr und mehr in die Schulen gehen, Jugendliche alters­ge­recht ansprechen, aber auch die MultiplikatorInnen in der politischen Bildungsarbeit unterstützen und in der Erwachsenenbildung präsent sein.  

 

 

(Der Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal ist Grundungsmitglied der LAG.)

 

Jubiläumsband „Der etwas andere Friedhofsführer -     200 Jahre Hauptfriedhof Frankenthal“

Auf über 300 Seiten hat Werner Schäfer vom Förderverein für jüdisches Gedenken Frankenthal zahlreiche Bilder über den Frankenthaler Hauptfriedhof zusammengetragen und historisch eingeordnet. Mit Hilfe von fünf Touren nimmt er den Leser mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte. Eine der Touren führt auf den alten und den neuen jüdischen Friedhof.

 

Hier wird auf 92 Seiten die Geschichte der beiden jüdischen Friedhöfe aber auch Begräbnisrituale erzählt. Neben Fotos der jüdischen Grabmale finden man die Geschichte der hier bestatteten Personen und die Übersetzungen der hebräischen Grabsteintexte.

 

Das Buch kostet im Buchhandel 17 Euro. Der Verkaufserlös fließt in weitere Projekte zur Frankenthaler Stadtgeschichte.

 

  

Sie waren unsere Nachbarn

Die Einzelschicksale der in der Stadt Frankenthal (Pfalz) zwischen 1933 und 1945 lebenden Juden 

Neues Buch von Paul Theobald

Der Frankenthaler Heimatforscher Paul Theobald hat ein neues Buch veröffentlicht: "Sie waren unsere Nachbarn - Die Einzelschicksale der in der Stadt Frankenthal (Pfalz) zwischen 1933 und 1945 lebenden Juden".

 

In seinem Vorwort schreibt der Frankenthaler Oberbürger- meister Martin Hebich:

 

"In mühevoller Kleinarbeit wurde die Geschichte der Israelitischen Kultusgemeinde Frankenthal recherchiert, wie auch Einzelschicksale beleuchtet wurden. Wo heute in Frankenthal (Pfalz) noch Straßennamen oder Stolpersteine an ehemals historische Begebenheiten erinnern, war vielen Juden um 1933 noch nicht bewusst, welches Schicksal sie ereilen sollte. Das Buch "Sie waren unsere Nachbarn" schafft den Brückenschlag zwischen Historie und Gegenwart und stellt gerade durch die Beschreibung der Einzelschicksale nochmals deutlich das Unrecht dar, das den Juden auch in Frankenthal (Pfalz) widerfahren ist." 

 

Das Buch ist im Verlag DeBehr erschienen und kostet 14.95 Euro. Es kann im Buchhandel oder im Internet gekauft werden.

  • ISBN-13: 9783957535627
  • Bestellnummer: 8849662
  • Umfang: 707 Seiten

3D-Animation der Frankenthaler Synagoge

Eine erste 3D-Rekonstruktion der Außenansicht der Frankenthaler Synagoge auf dem Katasterplan von 1837.

 

Bei dem Vortrag über "Rabbiner und Kantoren in Frankenthal" im VHS-Bildungszentrum zeigte Friedemann Seitz seine ersten 3D-Rekonstruktionen der Außenansicht der Frankenthaler Synagoge. Er versucht, soweit es möglich ist, die Maße und Formen anhand von Grundrissen und Stadtplänen sowie Zeichnungen und Fotos heranzuziehen.

 

Friedemann Seitz, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Frankenthal, arbeitet seit einigen Jahren mit dem Programm SketchUp an 3D-Rekonstruktionen wichtiger Gebäude. Bisher hat er unter anderem die zerstörte lutherische Kirche in Frankenthal und das Oggersheimer Schloss dargestellt. In Oggersheim arbeitet er beim Heimatkundlichen Arbeitskreis mit.

 

Die zweite größere Synagoge wurde am 28. August 1885 in der Glockengasse 12 eingeweiht.

Oppenheimer Synagoge als 3D-Animation

Die 1938 zerstörte, letzte Synagoge der Stadt Oppenheim hat der Architekt Heribert Hamann in mühevoller Spurensuche als 3D-Modell rekonstruiert, auch mit Hilfe zweier Zeitzeugen.

Die 1938 zerstörte, letzte Synagoge der Stadt Oppenheim hat der Architekt Prof. Heribert Hamann in mühevoller Spurensuche als 3D-Modell rekonstruiert, auch mit Hilfe zweier Zeitzeugen.

 

 

 

 

 

 

 

Stadtführung "Juden in Frankenthal" mit Schulklassen

  

Am Gedenkplatz für die frühere Synagoge gibt Herbert Baum vom Förderverein einen Überblick über die Entwicklung der jüdischen Gemeinde. Eine Fotomappe illustriert das Stadtleben in den vergangenen Jahrhunderten.

 

Der Förderverein informierte bei Stadtführungen für Schulklassen über das jüdische Leben in Frankenthal. Mit Fotomappen können sie die Situation der vergangenen Jahrhunderte konkret nachvollziehen.

 

Wo heute die beiden Gymnasien stehen, befand sich bis 1945 die Heil- und Pflegeanstalt mit ihren zahlreichen Gebäuden und den Gartenanlagen.

 

In der Karolinenstraße lernen die Schüler mehr über die Geschichte der Karolinenschule bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Im Gehsteig erinnern heute sechs Stolpersteine an jüdische Schülerinnen und eine jüdische Lehrerin. In unmittelbarer Nachbarschaft steht das frühere Haus der jüdischen Familie Kaufmann, die hier eine Brantwein-Handlung besaßen.

 

Auf dem Rathausplatz erinnert Herbert Baum an die Zeit des Nationalsozialismus in Frankenthal.

 

Wo heute an der Ecke Rathausplatz und Bahnhofstraße ein großes Geschäfts- und Wohnhaus steht, lebte bis 1940 die jüdische Familie Schweitzer. Werner Schäfer, der seit einigen Jahren Kontakte zu Nachfahren in New York hält, informiert über das Leben der Familie in Frankenthal.

 

In der Schlossergasse, wo braune Steine im Gehweg den Verlauf des früheren Fuchsbachs anzeigen, erläutert Herbert Baum die Funktion einer Mikwe, das jüdische Ritualbad vor allem für Frauen. Das Wasser einer Mikwe muss aus fließendem Grundwasser stammen oder aus einem Bach.

 

In der Glockengasse stand bis 1952 die Synagoge. Hier erläutert Herbert Baum die Geschichte der Juden in Frankenthal. Um 1785 gab es bereits eine jüdische Gemeinde mit einem Gemeindevorstand. Zwar hatten SA-Mitglieder in der sogenannten Reichskristallnacht am 10. November 1938 im Innern der Synagoge einen Brand entfacht. Dieser wurde jedoch von der verständigten Feuerwehr gelöscht. Die Synagoge wurde 1943 durch Bomben zerstört.

 

Der alte jüdische Friedhof mit dem ältesten Grabstein aus dem Jahr 1826 gibt einen Einblick in die jüdische Begräbniskultur.

Werner Schäfer informiert auf dem alten jüdischen Friedhof, der seit 1826 besteht, über die jüdische Begräbniskultur. Außerdem erläutertert er die Herkunft der kleinen Grabsteine, die an gestorbene, in der NS-Zeit nach Frankenthal verschleppte Zwangsarbeiter aus osteuropäischen Ländern erinnern. Auf dem neuen jüdischen Friedhof werden heute wieder Juden beerdigt, die aus der früheren Sowjetunion stammen und seit 1990 in Frankenthal gelebt haben.

 

Für Schulen: Filmveranstaltung "Die Unsichtbaren"

Zum Nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Zum Nationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus zeigte der Förderverein um den 27. Januar herum den Film "Die Unsichtbaren" Film für alle weiterführenden Schulen im Lux-Kino in der August-Bebel-Straße .

 

Zu den Schulveranstaltung kommen zwischen 120 und 250 Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrerinnen und Lehrern. 

 

Zum Film:

 

Am 18. Februar 1943 schrieb Joseph Goebbels, Hitlers Propaganda-minister, in sein Tagebuch: „Ich habe mir zum Ziel gesetzt bis Mitte, spätestens Ende März, Berlin gänzlich judenfrei zu machen.“ Dies ist Goebbels bis zu seinem Selbstmord am 1. Mai 1945, eine Woche vor der Kapitulation der Wehrmacht, nicht gelungen.

 

Zwischen 1941 und 1945 haben mehr als 7.000 Jüdinnen und Juden versucht, in der deutschen Hauptstadt im Versteck zu überleben. Nur etwa 1.500 Menschen haben es geschafft, die meisten mit der mutigen Hilfe von Nicht-Juden.

 

Oft ist es pures Glück und jugendliche Unbekümmertheit, die sie vor dem gefürchteten Zugriff der Gestapo bewahrt. Nur wenige Vertraute wissen von ihrer wahren Identität.

 

Da ist Cioma Schönhaus, der heimlich Pässe fälscht und so das Leben dutzender anderer Verfolgter zu retten versucht. Die junge Hanny Lévy blondiert sich die Haare, um als scheinbare Arierin unerkannt über den Kurfürstendamm spazieren zu können. Eugen Friede verteilt nachts im Widerstand Flugblätter. Tagsüber versteckt er sich in der Uniform der Hitlerjugend und im Schoße einer deutschen Familie. Und schließlich ist

da noch Ruth Gumpel, die als Kriegswitwe getarnt, NS-Offizieren Schwarzmarkt-Delikatessen serviert. Sie alle kämpfen für ein Leben in Freiheit, ohne wirklich frei zu sein...

 

DIE UNSICHTBAREN ist ein außergewöhnliches Drama, dessen Drehbuch zum Teil auf Interviews mit Zeitzeugen basiert. Die chronologische Erzählung bleibt spannend bis zur Befreiung der Überlebenden. Viele Helfer werden jedoch ermordet. Zahlreiche Filmszenen zeigen den Alltag der Menschen in Berlin: Die grausamen Täter und die vielen Opfer in der Bevölkerung.

 

"Leben? Oder Theater? "

Das Leben der Charlotte Salomon

Selbstportrait von Charlotte Salomon

In einem gut besuchten Vortrag am 9. November 2017 informierte Herbert Baum vom Förderverein für jüdisches Gedenken an Charlotte Salomon.

 

Die in Frankenthal geborene bekannte Sängerin Paula Levi-Lindberg heiratet 1930 den Berliner Arzt Albert Salomon. Als Stiefmutter kümmert sie sich auch um dessen Tochter Charlotte. Das 13jährige Mädchen leidet unter den bisherigen Familienverhältnissen. Ihre Mutter und deren Schwester haben sich selbst getötet. In der Jugendphase ist sie den Auswirkungen der NS-Diktatur ausgesetzt. 1939 flüchtet sie zu ihren Großeltern nach Südfrankreich. Dort erlebt sie die Selbsttötung der Großmutter und die Internierung im Lager Gurs. Bevor sie an ihrem Leben verzweifelt, zieht sie sich zurück und malt innerhalb von zwei Jahren rund 1300 Kunstwerke, in denen sie sich mit ihrem bisherigen Leben auseinandersetzt: "Leben? oder Theater?" (Das Foto zeigt ein Selbstporträt von Charlotte Salomon im Jahr 1940). Sie heiratet und wird schwanger. 1943 wird sie im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Ihr künstlerisches Lebenswerk blieb erhalten.

 

Der Vortrag beschrieb das Leben Charlottes anhand ausgewählter Werke aus ihrem Nachlass. Im Buchhandel gibt es mehrere Darstellungen zum Leben und Werk von Charlotte Salomon.

 

Lazarus Levi, Paula Levi-Lindberg und Charlotte Salomon

Die berühmte Sängerin Paula Salomon-Lindberg

Das Grab von Lazarus und Sophie Levi auf dem neuen jüdischen Friedhof Frankenthal

Im Internet kann man bei Wikipedia folgende Informationen nachlesen: "Die berühmte Sängerin Paula Salomon-Lindberg wurde am 21. Dezember 1897 in Frankenthal als Paula Levi geboren. Ihr Vater war der jüdische Religionslehrer und Kantor Lazarus Levi, der als Sänger einen besonderen Ruf weit über Frankenthal hinaus hatte. Er wurde am 16. Juli 1862 in Eckardroth geboren und kam 1896 nach Frankenthal, das damals zu Bayern gehörte. Lazarus Levi starb am 17. November 1919, seine Ehefrau am 26. November 1930, beide in Frankenthal. Das Grab auf dem neuen Judenfriedhof in Frankenthal ist heute noch erhalten." Die Familie wohnte in der Karolinenstraße 7.

 

Lazarus und Sophie Levi

Anlässlisch des Todes von Lazarus Levi schreibt die Frankenthaler Zeitung am Dienstag, 18. November 1919, über Kantor Levi: "Der Kantor und Religionslehrer der hiesigen israelitischen Gemeinde, Herr Lazarus Levi, ist am Sonntag nach langem Leiden gestorben. Herr Levi hat hier 22 Jahre amtiert und sich die Hochachtung aller Kreise erworben, die seinen Tod aufrichtig beklagen. Er stammte aus Unterfranken, wo er in Eckardroth 1862 geboren war. Seinen Studien oblag er an mehreren bayerischen Lehrerseminaren. 1896 kam er als Religionslehrer und Kantor nach Frankenthal, wo er seitdem wirkte, bis er im vergangenen Jahr wegen Krankheit in den Ruhestand treten mußte. Im Jahr 1897 verheiratete er sich mit Sophie Mayer, der Tochter des Herrn Jakob Mayer. Die israelitische Gemeinde verliert in ihm eines ihrer rührigsten Mitglieder, einen eifrigen Förderer ihres Vereinswesens und Gesanges. Als Sänger genoß Herr Levi besonderen Ruf weit über die Stadt hinaus."

Ein Jugendporträt von Paula Levi

Erst nach dem Tod ihres Vaters konnte Paula Levi ihren Wunsch verwirklichen, Sängerin zu werden.

 

Ihre Ausbildung erhielt Paula hauptsächlich in Mannheim und Berlin durch Julius von Raatz-Brockmann. Sie wurde in den 1920er Jahren unter dem Namen Paula Lindberg bekannt und trat hauptsächlich in Werken der Barockzeit auf, aber auch in moderneren Werken. Zwischen 1930 und 1933 sang sie die Altpartien bei den Aufführungen der Bach-Kantaten in der Leipziger Thomaskirche.

 

 

 

 

 

 

 

 

Paula Salomon-Lindberg

Am 4. September 1930 heiratete Paula Lindberg mit 32 Jahren in Frankenthal den Chirurgen Albert Salomon (1883–1976) und nannte sich Paula Salomon-Lindberg. Nach Auftrittsverboten 1933 sang sie noch bis 1937 für den Jüdischen Kulturbund Berlin. 1939 floh sie mit ihrem Mann nach Amsterdam, wo beide 1943 im Konzentrationslager Westerbork interniert wurden, später aber flüchten und die Besatzungszeit bis 1944 versteckt überleben konnten.

 

Nach dem Krieg lebte Paula Lindberg-Salomon in den Niederlanden. Sie setzte dort ihre künstlerische Laufbahn mit großem Erfolg fort. Sie starb am 17. April 2000 in Amsterdam.

 

Interview mit Paula Salomon-Lindberg und Albert Salomon für das Pariser Journal 1963. Sie sprechen vor allem über Charlotte Salomon.

 

Wegen ihrer Flucht aus Berlin mussten Paula Salomon-Lindberg und Albert Salomon fast alle privaten Sachen zurücklassen. Was sie noch hatten, verloren sie durch die Internierung im Konzentrationslager Westerbork. Charlotte Salomon nahm drei Schallplatten mit zu ihren Großeltern nach Südfrankreich.

 

Charlotte Salomon mit ihrem Vater Albert Salomon

Charlotte Salomon wurde als Tochter des Chirurgen Professor Albert Salomon (1883–1976) und seiner Frau Franziska, geb. Grunwald (1890–1926), in eine liberale jüdische Familie geboren. Sie wuchs in einem bürgerlichen Umfeld in Berlin-Charlottenburg auf.

 

Nach dem Suizid ihrer Mutter 1926 heiratete ihr Vater 1930 die Konzertsängerin Paula Lindberg.

 

Charlotte verließ das Fürstin-Bismarck-Gymnasium 1933, ein Jahr vor dem Abitur, um den antisemitischen Anfeindungen zu entgehen, die dort immer mehr zur Tagesordnung gehörten.

 

Ab Wintersemester 1935/36 war sie Studentin an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst. Nachdem ihr bei einem Wettbewerb der Kunsthochschule der erste Platz, der ihr von der Jury zuerkannt werden sollte, wegen ihrer jüdischen Herkunft versagt wurde, verließ sie die Hochschule im Herbst 1937.

Charlotte mit ihren Großeltern in Südfrankreich

Im Januar 1939 emigrierte Charlotte Salomon nach Frankreich. Dort lebte sie in Villefranche-sur-Mer bei Nizza bei ihren Großeltern.

 

Charlotte Salomon und ihr Großvater (ihre Großmutter hatte sich im März 1940 das Leben genommen) wurden im Lager Gurs interniert, kurze Zeit später jedoch wegen des hohen Alters des Großvaters wieder freigelassen.

 

Der Tod der Großmutter und das Erlebnis der Internierung versetzten Charlotte Salomon in eine tiefe Krise. Um die Ereignisse zu verarbeiten, begann sie auf Anraten eines Arztes wieder zu malen.

Zwischen 1940 und 1942 entstanden binnen 18 Monaten 1325 Gouachen in einem expressionistischen Stil. Etwa 800 Blätter im Format 32,5 x 25 cm hat Charlotte Salomon ausgewählt und nummeriert. Zusammen mit erläuternden Texten und Hinweisen auf Musikstücke erzählen sie unter dem Titel "Leben? Oder Theater?" ihr Leben. Das Werk ist in seinem Aufbau einem Theaterstück mit allen seinen Bestandteilen in Akten und Szenen vergleichbar.

 

Im Juni 1943 heiratete sie den österreichischen Emigranten Alexander Nagler. Nach der Besetzung Südfrankreichs durch deutsche Truppen 1943 wurden Charlotte Salomon und ihr Mann verraten und am 24. September in Nizza verhaftet. Am 27. September wurde das Ehepaar in das Sammellager Drancy bei Paris und am 7. Oktober in das Vernichtungslager Auschwitz  deportiert. Charlotte Salomon, im fünften Monat schwanger, wurde vermutlich sofort nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet. Ihr Ehemann starb später an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen.

Charlotte Salomons Werk "Leben? Oder Theater? Ein Singspiel" hat die NS-Zeit überlebt. Ihr Vater und ihre Stiefmutter haben die Bilder dem Jüdischen Museum in Amsterdam übergeben. 1961 wurden sie zum ersten Mal öffentlich gezeigt. 1963 erschien der erste Bildband mit einer Auswahl ihrer Gouachen.

 

Eine Auswahl der Bilder wurde bereits mehrmals öffentlich ausgestellt. Das Singspiel diente als Vorlage für die Oper "Charlotte Salomon", die als Auftragswerk der Salzburger Festspiele am 28. Juli 2014 in einer Inszenierung von Luc Bondy aufgeführt wurde.

 

 

 

 

 

Kostenlose Führungen

Die Bahnhofstraße und Blick auf den Marktplatz um 1930

Der Förderverein für jüdisches Gedenken organisiert auf Anfrage kostenlose Führungen zu verschiedenen Themen: Geschichte der Juden in Frankenthal, Jüdische Geschäfte in der Innenstadt, Stolpersteine, Jüdische Friedhöfe, NS-Zeit in Frankenthal, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.

 

Setzen Sie sich mit dem Förderverein in Verbindung.

 

Neues Buch über Frankenthaler Juden

"Gegen das Vergessen!"

Stolpersteine geben den Menschen ihre Geschichte

Der Förderverein verlegte gemeinsam mit dem Kölner Künstler Gunter Demnig bisher 109 Stolpersteine für jüdische Männer, Frauen und Kinder. Das Buch "Gegen das Vergessen!" erzählt auf 236 Seiten die Geschichten zu den Stolpersteinen.

 

Das Buch kann zurzeit nur beim Förderverein gekauft werden. Es kostet 12 Euro (Einführungspreis).

 

Schicken sie eine Nachricht per Post oder E-Mail (Adresse siehe links).

 

Das Buch kann auch als digitale Version verschickt

                                           werden.

 

Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Schulen

Projekte für politische Erziehung

In der Berufsbildenden Schule erzählte der Holocaust-Überlebende Paul Niedermann 2007 über seine Deportation nach Gurs in Südwestfrankreich und seine Rettung aus dem Lager.

 

Der Förderverein für jüdisches Gedenken organisiert seit über 20 Jahren Veranstaltungen zum Gedenken und Erinnern an die Ermordung der europäischen Juden, aber auch an die fast 2000 Jahre lange Geschichte der Juden in Deutschland.

 

"Nicht schon wieder Nationalsozialismus", klagt mancher Schüler. Der Förderverein kooperiert vor allem mit weiterführendenden Schulen. Neben Vorträgen, Filmen und Ausstellungen gibt es größere Projekte: Stolpersteine in Frankenthal, Baucamp auf den jüdischen Friedhöfen, Fahrten in das ehemalige Konzentrationslager Struthof im Elsass, Führungen zum jüdischen Leben in Frankenthal.

 

In den vergangenen Tagen hat der Förderverein verschiedene Aktivitäten mit Schulen durchgeführt. Über 50 Schülerinnen und Schüler der Schiller-Realschule fuhren in das ehemalige Konzentrationslager in Struthof im Elsass. Jugendliche des Instituts für Hören und Kommunikation (PIH) informierten sich über die Aktion Stolpersteine, über die "Reichskristallnacht" am 10. November 1938 und über das ehemalige Kriegsgefangenenlager auf dem Schützenplatz zwischen dem Schießgartenweg und der Straße Am Kanal.

 

Vor allem mit diesen aktuellen Aktivitäten bietet der Förderverein den Schulen ein optimales Angebot für das Kennenlernen der lokalen Geschichte.

 


Schülerinnen und Schüler der Schiller-Realschule besuchten am 5. November das ehemalige Konzentrationslager Stuthof im Elsass. Am Ehrenmal für die französichen Opfer legten sie Blumen nieder.

Kooperationen mit Schulen

Eine Menschenkette rund um das Karolinen-Gymnsium soll deutlich machen, dass hier künftig keine Schülerinnen und Lehrerinnen mehr ausgegrenzt werden. Das Gymnasium hat den Titel "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage".

Menschenkette, Stolpersteine und Ausstellung

Fotos vom Aktionstag des Karolinen-Gymnasiums

Zeitzeugen in Schulen

Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland 2007 eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die Zeitzeugen in Schulen vermittelt. Zeitzeugen gelingt es immer wieder, Interesse für die Zeitgeschichte zu entwickeln.

Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland 2007 eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die Zeitzeugen in Schulen vermittelt. Zeitzeugen gelingt es immer wieder, Interesse für die Zeitgeschichte zu entwickeln. 

 

Auch der Förderverein sucht Zeitzeugen.

 

Weitere Informationen zum Thema "Jugend in der NZ-Zeit" siehe im Kapitel "Frankenthal in der NS-Zeit".